Der Schaden ist groß
Der Schaden, den grenzüberschreitendes Verhalten verursacht, darf nicht unterschätzt werden. In erster Linie auf menschlicher Ebene. Opfer von Belästigung können dies als traumatisch empfinden. Vielversprechende Karrieren geraten ins Stocken, Lebensfreude geht verloren. Organisationen erleiden wirtschaftlichen Schaden, da talentierte Mitarbeiter in einer toxischen Arbeitskultur nicht ihr volles Potenzial entfalten können und sich möglicherweise entscheiden, ihre Karriere anderswo fortzusetzen. Das Humankapital verlässt dann buchstäblich das Unternehmen. Darüber hinaus gibt es Reputationsschäden, sowohl für die Organisation als auch für die beteiligten Personen. Denn wer möchte noch mit Unternehmen oder Menschen zusammenarbeiten, die in Verruf geraten sind? Ein sensibles Thema also.
Grenzüberschreitendes Verhalten ist inakzeptabel und schädlich. Jeder sollte die Möglichkeit haben, das Beste aus sich herauszuholen, ohne von Kollegen oder Vorgesetzten eingeschüchtert zu werden, die ihr Temperament nicht im Griff haben. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht – wie die Praxis zeigt.
Die Situation ist selten sofort klar
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Organisationen dazu neigen, in eine Schockstarre zu verfallen, wenn eine Meldung über grenzüberschreitendes Verhalten an die Öffentlichkeit gelangt. Die Organisation und der Beschuldigte fühlen sich angegriffen. Während sich an der Kaffeemaschine Gerüchte verbreiten, entsteht schnell der Wunsch, sowohl intern als auch extern zu zeigen, dass die Angelegenheit nicht ignoriert wird und Maßnahmen ergriffen werden. Doch durch diesen Aktionismus geht oft unbeabsichtigt etwas schief.
Es besteht die Tendenz, das Opfer zu schützen und disziplinarische Maßnahmen gegen den Beschuldigten zu ergreifen. Im Falle eines offensichtlichen Fehlverhaltens kann dies gerechtfertigt sein. Doch die Situation ist selten sofort klar. Eine gründliche Untersuchung liefert oft ein differenziertes Bild. Die erste Frage, die gestellt werden sollte, ist: Was genau meint der Meldende mit einem „unsicheren Arbeitsumfeld“? Ein Manager muss Mitarbeitern beispielsweise kritisches Feedback geben können, ohne dass dies sofort als „unangemessen“ eingestuft wird. Ein schnelles Urteil kann ein falsches Urteil sein. Nicht nur der Meldende wird dann geschädigt, sondern auch die Abteilung, der Manager und die gesamte Organisation. Die Folgen sind oft gravierend und lange spürbar.
Handreichung von Mariëtte Hamer
Eine gesunde Arbeitskultur ist eine gemeinsame Verantwortung. Sie erfordert gutes Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverhalten. Ruhe und Sorgfalt bei der Einleitung und Durchführung einer Untersuchung sind unerlässlich. Eine gute Vorbereitung kann den Unterschied ausmachen. Die Handreichung der Regierungskommissarin Mariëtte Hamer zur Bekämpfung von sexuellen Übergriffen ist ein guter Ausgangspunkt für die Erstellung von Richtlinien.
Der Vorteil der Handreichung besteht darin, dass sie das Bewusstsein weiter schärft. Doch das Dokument ist nicht arbeitsrechtlich ausgelegt und gibt keinen Hinweis darauf, was aus juristischer Sicht klug wäre. Das ist ein Manko. Denn was tun Sie, wenn Sie als Organisation einen Brief von einem Anwalt erhalten, der Sie haftbar macht? Darüber sagt die Handreichung nichts. Dabei ist das wichtig, denn eine korrekte und respektvolle Bearbeitung von grenzüberschreitendem Verhalten muss auf einer soliden rechtlichen Grundlage basieren. Die Handreichung ist übrigens noch nicht endgültig. Hamer selbst nennt es ein „Prototyp“. Sie ruft Organisationen dazu auf, Erfahrungen zu teilen, damit sie diese in eine überarbeitete Version einfließen lassen kann.
Sorgfältige Untersuchung
Jeder einzelne Fall von grenzüberschreitendem Verhalten ist schmerzhaft. Doch durch die öffentliche Aufmerksamkeit für diese Vorfälle besteht auch die Chance, die Richtlinien zu professionalisieren. Das ist dringend notwendig. Untersuchungen zu unethischem und grenzüberschreitendem Verhalten lassen oft zu wünschen übrig.
Eine sorgfältige Untersuchung braucht Zeit und profitiert von Unabhängigkeit. Es ist wichtig, sich auf die Fakten zu konzentrieren und sich von Emotionen und Wertungen zu lösen. Gründliche Untersuchungen sind in vielen Fällen eine Schwachstelle. Deshalb investiert Boels Zanders in den Ausbau seiner bestehenden Aktivitäten in diesem Bereich. Als Kanzlei können wir das gesellschaftliche Problem des grenzüberschreitenden Verhaltens nicht lösen. Aber wenn es notwendig ist, können wir rechtliche Beratung anbieten oder eine fachkundige Sachverhaltsermittlung durchführen.