Es gibt zahllose Beispiele, die verdeutlichen, warum die Mitarbeiter und Dutzende advocaat-Freiwillige von Lawyers for Lawyers tun, was sie tun. Direktorin Sophie de Graaf beginnt ihre Präsentationen gerne mit einem Zitat der philippinischen advocaat Connie Brizuela: „If they can kill lawyers, they can kill anyone.“ Damit wollte sie ausdrücken, dass advocaten oft die letzte Hoffnung für all jene sind, deren Rechte verletzt werden.
Die Worte von Brizuela erwiesen sich als prophetisch. Im Jahr 2009 wurde sie ermordet – bei dem, was später als das Maguindanao-Massaker bekannt wurde. 58 Menschen starben, weil der Bürgermeister von Ampatuan die Idee freier Wahlen nicht akzeptieren wollte. Journalisten, Familienangehörige, zufällige Zeugen und advocaten wurden getötet. Tatsächlich, „they can kill anyone“. Es dauerte noch zehn Jahre, bis die Täter verurteilt wurden. Ein extremes Beispiel? De Graaf kennt viele weitere. „In den vergangenen Jahren wurden etwa 65 advocaten auf den Philippinen aufgrund ihrer Arbeit ermordet.“ Und die Philippinen sind keineswegs das einzige Land, in dem advocaten wegen ihrer Arbeit Ziel von Repressalien werden. Im vergangenen Jahr unterstützte Lawyers for Lawyers 198 advocaten in 38 Ländern. Und diese Zahl von 198 advocaten, die bedroht oder verfolgt werden, ist laut De Graaf nur die Spitze des Eisbergs.
Dieser Artikel ist eine Neuveröffentlichung und erschien zuvor im Fachmagazin Advocatie.
Bedrohungen und körperliche Gewalt
De Graaf nennt die wichtigsten Probleme, mit denen advocaten konfrontiert werden. An erster Stelle steht die Einmischung in ihre beruflichen Verantwortlichkeiten. „Man kann sich das so vorstellen: advocaten erhalten keinen Zugang zu ihren Mandanten, und die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen advocaten und Mandanten wird nicht gewährleistet. Kanzleien und Privathäuser werden durchsucht, und advocaten wird der Zugang zu wichtigen Informationen verweigert.“
Zudem werden advocaten weltweit zunehmend Opfer von Bedrohungen und körperlicher Gewalt. Darüber hinaus werden advocaten strafrechtlich verfolgt oder aus der Anwaltskammer ausgeschlossen. „Das Internet hat in vielen Ländern, in denen wir tätig sind, stark an Bedeutung gewonnen. Viele advocaten nutzen das Internet und soziale Medien, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Dies fällt unter ihr Recht auf freie Meinungsäußerung, doch häufig werden sie danach strafrechtlich verfolgt.“
Advocaten spielen eine entscheidende Rolle beim Schutz des Rechtsstaates. Dies wird international anerkannt, unter anderem in den UN Basic Principles on the Role of Lawyers. Doch diese Regeln sind längst nicht überall bekannt oder werden nicht respektiert, erklärt De Graaf. „In Tansania haben wir viele advocaten interviewt, die zwar Zugang zu ihren inhaftierten Mandanten hatten, aber nicht vertraulich mit ihnen sprechen durften. Oft stand ein Gefängniswärter mit einem Notizbuch im Raum, um Gespräche mitzuschreiben. Viele dieser advocaten wussten nicht, dass internationale Vorschriften ihnen das Recht auf vertrauliche Gespräche mit ihren Mandanten garantieren. Dies haben wir in unserem Bericht an die Vereinten Nationen hervorgehoben.“
Defend, Empower, Influence
Die Mission von Lawyers for Lawyers basiert auf drei Säulen: defend, empower, influence. Diese Programme verfolgen drei Hauptziele: „Wir wollen natürlich, dass die Probleme, mit denen advocaten konfrontiert sind, aufhören. Außerdem möchten wir, dass Schutzmaßnahmen und Schutzgesetze für advocaten in verschiedenen Ländern gestärkt werden. Darüber hinaus fördern wir Solidarität, indem wir niederländische advocaten mit Kollegen im Ausland vernetzen – und umgekehrt. So können advocaten weltweit Erfahrungen austauschen, Wissen teilen und sich gegenseitig unterstützen, um mit Bedrohungen umzugehen.“
Lawyers for Lawyers arbeitet bedarfsorientiert. Die verschiedenen Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen der drei Säulen erfolgen stets auf Anfrage der advocaten und nur mit deren vollständigem Einverständnis. In den letzten Jahren wurden im Rahmen der Empowerment-Säule Schulungen für advocaten in Uganda, Indonesien, Ägypten, Kirgisistan und Russland durchgeführt. „Die Schulung in Russland im Jahr 2019 fand auf Anfrage einer Gruppe russischer advocaten statt. Russland drohte damals, aus dem Europarat auszutreten. Russische advocaten führten viele Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und wollten mehr über andere internationale Menschenrechtsmechanismen, wie die Vereinten Nationen (UN), erfahren. Gemeinsam mit vier advocaten von Kennedy Van der Laan haben wir eine dreitägige Schulung durchgeführt.“
Besonderer VN-Status
Dieses Wissen über die UN steht im Zusammenhang mit der Influence-Säule. Lawyers for Lawyers hat einen speziellen Status bei den Vereinten Nationen, der es der Organisation ermöglicht, sich beispielsweise im Menschenrechtsrat und in Menschenrechtsausschüssen zu Wort zu melden. De Graaf erklärt: „Wir nutzen dies intensiv. Ich schätze, dass 50 Prozent unserer Arbeit aus Forschung bestehen – sowohl Schreibtischarbeit als auch Interviews mit advocaten –, dem Verfassen von Berichten und aktiver Lobbyarbeit bei den UN sowie anderen Menschenrechtsinstitutionen.“
Besonders greifbar ist jedoch die Defend-Säule. Manchmal erfolgt die Unterstützung sehr direkt, indem eine Delegation von advocaten den Prozess eines Kollegen besucht, der wegen seiner Arbeit verfolgt wird. In anderen Fällen geschieht dies aus der Ferne, etwa durch das massenhafte Versenden von Karten an einen inhaftierten advocaat. Diese Maßnahmen mögen wie ein Tropfen auf den heißen Stein wirken, doch genau dadurch wird der Einfluss von Lawyers for Lawyers sichtbar.
Ein gutes Beispiel dafür ist Buzurgmehr Yorov, ein advocaat aus Tadschikistan, der zu einer Haftstrafe von mehr als zwanzig Jahren verurteilt wurde, weil er die Führung einer islamischen Partei verteidigte. Während der jährlichen Grußkartenaktion erhielt er Dutzende Karten von Kollegen aus den Niederlanden. De Graaf: „Er ließ uns wissen, dass er danach im Gefängnis besser behandelt wurde. Er durfte mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. So eine kleine Geste – das Schreiben einer Karte – kann wirklich etwas bewirken.“
Boels Zanders
Obwohl Lawyers for Lawyers eine kleine Organisation mit nur fünf Mitarbeitern ist, kann sie auf die Unterstützung von sechzehn Partnerkanzleien und zahlreichen individuellen advocaten zählen. Eine dieser Partnerkanzleien ist Boels Zanders – die erste Kanzlei außerhalb der Randstad, die sich Lawyers for Lawyers angeschlossen hat. Managerin Fleur Kapiteijn erklärt, wie die Kanzlei in Kontakt mit der Organisation kam. „Boels Zanders investiert viel in wohltätige Zwecke, aber dabei fehlt manchmal das Gefühl der echten Verpflichtung, selbst einen Unterschied zu machen. Man merkt, dass die Arbeit von Lawyers for Lawyers den Menschen hier nahe geht. Es gibt hier Leute, die mit Überzeugung ihren Beruf ausüben – das treibt sie an und verbindet sie mit ihren Kollegen weltweit, sei es in Kamerun oder in den Niederlanden. Das motiviert uns, uns zu engagieren.“
Die Unterstützung von Boels Zanders ist nicht nur finanziell, sondern auch in Form von Bewusstseinsbildung innerhalb der Kanzlei von großer Bedeutung. „Wir stehen in engem Kontakt mit Sophie. Wenn Hilfe benötigt wird, informieren wir unsere Kanzlei, sodass sich einzelne advocaten engagieren können. Das bedeutet nicht, dass immer eine Zusage erfolgt, aber wir prüfen stets die Möglichkeiten.“